Jacques Jordaens: Die Berufung Petri

Im Snijders&Rockox Haus, zwischen Küche und Wäscherei (Leihgabe aus Sankt-Jacobskirche)

Er [Andreas] fand zuerst seinen Bruder Simon […]. Er brachte ihn zu Jesus. Jesus sah ihn an und sagte: „Du bist also Simon, der Sohn des Johannes? Du sollst Kephas genannt werden“ (was Petrus bedeutet) [oder Fels].


Guck mal!

Mit diesem Gemälde von Jordaens laden wir Sie zu einer Übung im genauen Hinsehen ein.

Werfen wir zunächst einen allgemeinen Blick auf die Szene, die die Berufung des Apostels Petrus darstellt.

Die zwei Hauptfiguren stehen im Mittelpunkt der Komposition und sind deutlich hervorgehoben: Jesus – „das Licht der Welt“ – steht im vollen Scheinwerferlicht, ebenso wie die nackte Brust des Petrus, die betont ins Auge fällt.

Der Schlüssel zum Verständnis der Barockmalerei besteht darin, sie als klassisches Theaterstück zu betrachten.

Ein Ort: Alles spielt am See Genezareth – doch Jordaens zeigt uns flämische Fischer mit ihren derben, charaktervollen Gesichtern.

Eine Zeit: Es ist früher Morgen; das nächtliche Fischen ist gerade beendet.

Eine Handlung: Achten Sie auf die Körpersprache der „Schauspieler“: Jesu offene, einladende Hände – Petrus, der sich noch nicht ganz von seinem reichen Fang lösen kann. Das Treffen wurde von Andreas, dem Bruder des Petrus, eingefädelt. Mit einer Hand an der Seite und der anderen vor dem Bauch wartet er gespannt auf den Ausgang dieser Begegnung. Er trägt bereits keine Fischerkleidung mehr.

Die Figuren im Hintergrund sind skizzenhaft gehalten. Sie stehen eng beieinander und verdecken fast vollständig die Landschaft – nur ganz links sehen wir das Ufer und ein Fischerboot.

Hier entsteht die räumliche Tiefe nicht durch Licht und Schatten, sondern allein durch die Komposition.

Besonders interessant sind zwei sogenannte Repoussoir-Figuren um Perspektive zu prägen: der kniende Mann links und die sitzende Figur rechts, die eine Socke über einem kleinen Feuer trocknet. Letzterer ist der Schauspieler, mit dem sich der Betrachter identifizieren soll. Dass beide „dem Leben nach“ dargestellt sind, erleichtert uns das Hineinversetzen.

Richten Sie nun den Blick zuerst auf ihn – und dann gemeinsam mit ihm auf das zentrale Duo: Petrus und Jesus. Ziehen Sie eine imaginäre Linie zwischen ihren Blicken.

Für ein vertieftes Verständnis brauchen wir nun den biblischen Text, der die erste Begegnung dieser beiden beschreibt. Er findet sich im Johannesevangelium, Kapitel 1, Verse 41–42:

Dieser [Andreas] traf zuerst seinen Bruder Simon […]. Er führte ihn zu Jesus. Jesus blickte ihn an und sagte: „Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen“. Kephas bedeutet: Fels.

Jesus blickte ihn an und sagte“ – ist das nicht die wahre Stärke dieses Bildes? Dieser stille, visuelle Dialog – sich in die Augen sehen und sich im Herzen berühren?

Stellen Sie sich dieses Werk im privaten Raum eines wohlhabenden Bürgers vor, über dem Kamin. So müsste man hinaufschauen – und genau dann wird die Perspektive sichtbar, die der Maler komponiert hat.

Dieses Gemälde war angeblich für einen Teppichhändler namens Michiel Wauters bestimmt. Es zeigt, dass Jordaens auch großformatige Gemälde für wohlhabende Bürger lieferte.

Er malte dieses Bild in den Jahren 1616–1617, im Alter von nur 23 Jahren. Er war damals gerade ein Jahr Meister in der Lukasgilde. In seinen frühen Kompositionen erkennt man den Versuch, sich von der traditionellen Darstellung zu lösen, in der alle Köpfe auf gleicher Höhe stehen. Hier reiht er seine Figuren noch weitgehend auf – der Schritt zur echten Tiefenstaffelung als Perspektive steht ihm noch bevor.

Nördliche Route: Gegenüber dem Snijders-Rockox-Haus gehen Sie durch die Ambtmanstraat zur Mutsaardstraat, auf dem kleinen Platz vor der Akademie.

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