Peter Paul Rubens und Anthony van Dyck: der Lanzenstoß

Im KMSKA, geh nach Saal 2.2

Als Wohnhaus sprechen wir vom Rubenshaus, als Atelierhaus klingt Haus Rubens vielleicht besser. Wer hat eigentlich was gemalt?


Im Museumkatalog von 1988 heißt dieses Gemälde ‚Der gekreuzigte Christus zwischen zwei Verbrechern‘ oder ‚Der Lanzenstoß/Coup de Lance‘. Man ging davon aus, dass Rubens der einzige Maler dieses Werkes gewesen sei. In Raum 2.2 sagt das Schild heute ‚Anthony Van Dyck im Atelier von Peter Paul Rubens‘.

Der Auftraggeber ist der Bürgermeister und Maecenas Nicolaas Rockox. Er hat es für den Hochaltar der Kirche der Minoriten (heute: Kunstakademie, Mutsaardstraat) um 1619-1620 bestimmt.

Kurz danach übernimmt Rubens das große Projekt der Deckenmalerei in der Kirche St. Karl Borromäus. Der Vertrag mit den Jesuiten erwähnt aber ausdrücklich den Namen Anthony van Dyck: “ende door Van Dyck mitsgaders sommige andere syne discipelen”.

Können wir uns vorstellen, dass es hier um ein kooperatives Unternehmen geht? Erinnern wir uns heute nur noch an den Regisseurs eines Films? Was ist mit dem Drehbuchautor oder dem Produzenten?

Inhaltlich zeugt das Gemälde von Rubens Phantasie. Im Mittelpunkt der Szene steht der Lanzenstoß des Hauptmanns, der überprüfen will, ob der Gekreuzigte wirklich tot ist. Also durchbohrt er mit seiner Lanze kräftig die Seite des bleichen Körpers; „und sogleich floss Blut und Wasser heraus“ (Johannes 19:34). Wir sehen Maria Magdalena, die gegen diese sinnlose Gewalt protestiert; und wir bemerken dass Johannes und Maria ihre Köpfe abwenden um diese zusätzliche Verletzung nicht zu sehen. Das Gemälde zeigt auch, dass die Beine anderer Sträflinge gebrochen werden, um den Sterbeprozess zu beschleunigen. Ihre gekrümmten Körper stehen im Kontrast zu den geraden Linien von Kreuzen, Lanzen, Leitern und den Beinen der Pferde; nur Jesus hängt völlig bewegungslos. Das letzte Tageslicht dringt durch den bewölkten Himmel: die [angebliche] Sonnenfinsternis nimmt ein Ende.

Die Zuschauer, unten auf dem Kalvarienberg verleihen dem Bild eine gewisse Perspektive und Tiefe. Sie sind vielleicht mit Absicht etwas vage gemalt, damit wir uns mit ihnen identifizieren können. Eine wissenschaftliche Untersuchung mit Mikroskop, Röntgenstrahlen und Infrarotlicht ermöglicht es uns, die Handschrift der einzelnen Maler, Meister und Schüler zu identifizieren, aber darauf legten die Maler damals weniger Wert.

Wir werden an drei anderen Orten auf unserer Route auf dieses Werk zurückkommen: in der Mutsaardstraat, in der Liebfrauenkathedrale mit der ‚Kreuzaufrichtung‘ von Rubens und in der Paulskirche mit dem ‚Kreuztod‘ von Jordaens.

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