P.P. Rubens: die Geißelung (Geheimnisse des Rosenkranzes)
Alle vier Evangelien sprechen von der dreifachen Entscheidung des Pilatus: Barabbas freilassen, Jesus geißeln und kreuzigen lassen (Matthäus 27,26; Markus 15,15; Lukas 23,25; Johannes, 19,1).
Wenn Sie noch nicht davon überzeugt waren, dass die Barockmaler Sie durch Bewegung/Motion bis in Innerste aufwühlen/emotion wollen, werden Sie jetzt nicht mehr daran zweifeln. Diese Szene macht Sie zu einem privilegierten Zeugen der Passion Christi.
Die Evangelien berichten über die ursprüngliche Entscheidung des Pilatus, Jesus freizulassen nach vorheriger Geißelung; später gibt er jedoch dem Druck der Menge nach und verurteilt Jesus zum Tod am Kreuz. Aber er macht die Geißelung nicht rückgängig!
„Jesus aber lieferte er ihnen aus, wie sie es verlangten“ (nach Lukas 23,25).
Wie malt man so eine Szene? War Rubens selber jemals Zeuge einer solchen öffentlichen Bestrafung?
Aus einem Manuskript aus dem 19. Jahrhundert erhalten wir dieses Detail:
„… es heißt, Rubbens habe dies nach einem Kerl gemalt, der auf einem Schafott ausgepeitscht wurde. Ob es nun so ist oder nicht, es ist so natürlich gemalt, dass man es mit den Augen sehen kann.“
Wie erzählt der Künstler seine Geschichte? Wie zu erwarten, findet diese Folter in einem dunklen Keller statt, und die Henker tragen auch dunkle Kleidung. Im vollen Licht im Vordergrund, so groß wie ein erwachsener Mensch, steht Jesus gekrümmt, seine Handgelenke sind an den Geißelpfahl gefesselt. Um ihn noch mehr aus dem Gleichgewicht zu bringen und die verspannte Haut besonders empfindlich für die Schläge zu machen, tritt ihm ein schwarzer Henker auf der rechten Seite in die Kniekehle. Der Lendenschurz, ein noch weißerer Akzent wird gleichzeitig weggezogen.
Auf der linken Seite dieser dramatischen Komposition steht der Henker, der die Peitsche in beiden Händen hält, zum nächsten Schlag bereit. Sein rechter Fuß scheint auf dem Rahmen zu ruhen und sein rechter Ellbogen ragt sogar heraus, ein Detail, das Tiefe hervorruft.
Sehen Sie die Knöpfe im Leder? Die römische Version der neunschwänzigen Katze enthielt scharfe Kieselsteine.
Versuchen Sie, die Anzahl der Henker zu zählen: links den mit der Peitsche, rechts einen mit der Hand auf der Stirn (verschwitzt? wegschauend?). Dann gibt es noch einen behelmten mit einem Stab oder einem Bündel Äste, und am Rand des Gemäldes hat der Schwarze seinen Arm erhoben. Keine Figur ist in diesem Werk zu viel: dem Betrachter wird so äußerste Konzentration abverlangt.
Die dunklen Töne bestimmen die Atmosphäre. Der Kern der Geschichte wird uns in subtilen Farbtönen gezeigt. Wir sehen die angespannten Muskeln die schmerzhafte Hautverletzung.
Ist Ihnen klar, was dieser Mann gelitten hat, um seiner Liebesbotschaft gerecht zu werden und seine bedingungslosen Liebe weiterzugeben?
Nach einem so brutalen Bild wollen wir Ihnen eine ebenso brutale Frage stellen: Könnten Sie dieses Gemälde als geeignetes Kampagnenbild für einen Verein sehen, der heute die Menschenrechte verteidigt?
Folge die Reihe der Geheimnisse des Rosenkranzes